Zum 1. Januar 2013 wurde die von Gesundheitsminister Daniel Bahr auf den Weg gebrachte staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung in Kraft gesetzt. Die private Versicherungswirtschaft ist damit aufgefordert, Tarife mit folgenden Voraussetzungen anzubieten:

  • Versicherbar sind alle Personen ab dem 18. Lebensjahr, die über ihren gesetzlichen oder privaten Krankenversicherer pflegepflichtversichert sind und die noch keine Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit daraus bezogen haben. Es gibt kein Höchstaufnahmealter und keine Gesundheitsprüfung.
  • Der monatliche Mindestbeitrag beträgt 15 Euro, worauf ein staatlicher Zuschuss von 5 Euro gewährt wird (zur Erinnerung: zwischen Frauen und Männern wird bei Versicherungsbeiträgen nicht mehr unterschieden).
  • Der Tarif sichert mindestens eine Leistung von 20 Euro Pflegetagegeld (= 600 Euro monatlich) für die Pflegestufe III ab, wovon in Pflegestufe II wenigstens 30 %, in Pflegestufe I wenigstens 20 % und im Falle einer „erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz” (so genannte Pflegestufe 0) wenigstens 10 % geleistet werden müssen.
  • Es darf eine Wartezeit von höchstens 5 Jahren vereinbart werden.

Nach diesen Vorgaben bringen nun in diesen Wochen die deutschen Versicherer nach und nach ihre „Bahr”-Tarife an den Markt. Die ersten Angebote von sieben großen Maklerversicherern habe ich für einen kurzen Eindruck in ihren Details verglichen, und schon jetzt lassen sich bestimmte Tendenzen erkennen:

 

Der „PflegeBahr” steht auch Menschen mit schweren oder chronischen Vorerkrankungen offen, die optionalen Erweiterungsangebote jedoch nicht


Der vom Gesetzgeber verlangte (eingangs beschriebene) Leistungsumfang muss ohne Gesundheitsprüfung angeboten werden. Wer also noch nicht Pflegefall ist oder war und entsprechende Leistungen bezogen hat, ist grundsätzlich voll versicherbar.

Gerne weisen die Gesellschaften aber natürlich auf die Möglichkeiten hin, diesen Mindestschutz in verschiedenster Weise zu verbessern, teilweise auch „mit nur einer Gesundheitsfrage” (womit ein Versicherer durchaus eine Frage über mehrere Absätze mit, genau genommen, sehr vielen Einzelfragen meint). Im Ergebnis der bisherigen Prüfungen ist bislang kein Anbieter zu erkennen, der sich etwas mutiger vorwagt: alles über den „Pflege-Bahr”-Umfang hinaus bleibt wohl vorerst auch weiterhin nur jenen vorbehalten, die keine schwere oder chronische Erkrankung anzugeben haben.

 

Für Jüngere deutlich attraktiver: rund 1.400 Euro Absicherung in Pflegestufe III

 

Es ist nicht etwa so, dass ein Versicherer einen potenziell furchtbar kranken Menschen (und dies nimmt er immer an, wenn er keine Gesundheitsfragen stellt oder stellen darf) freiwillig mit höherer Leistung versichern würde; doch im Falle des „Pflege-Bahr” geschieht durch das Zusammenwirken von zwei gesetzlichen Vorgaben für junge Menschen genau dies: Denn das versicherungsmathematische Risiko, dass der Pflegefall eintritt, ist bei einem 20-Jährigen signifikant geringer als bei einem 70-Jährigen. Die beim „Pflege-Bahr” geforderte Mindestleistung von 600 Euro Pflegegeld monatlich in Stufe III würde also für einen 20-Jährigen so wenig kosten, dass er die Beiträge beinahe schon allein aus der staatlichen Zulage zahlen könnte. Allerdings verlangt – wie oben genannt – ein weiteres Kriterium wenigstens 15 Euro Monatsbeitrag. Somit muss der Versicherer für junge Menschen umgekehrt eine deutlich höhere Leistung errechnen und anbieten.

 

Im Ergebnis erhalten Personen ab 18 Jahren ohne Gesundheitsprüfung und für 15 Euro monatlich (abzüglich 5 Euro staatlicher Förderung) eine durchaus ernstzunehmende Absicherung für Pflegekosten. Je nach Gesellschaft kann ein heute 20-Jähriger beispielsweise durchschnittlich etwa 1.400 Euro Leistung in Pflegestufe III versichern (ein Ausreißer geht gar bis 1.800 Euro, wobei der Tarif aber an anderer Stelle schwächelt). Da einzelne Anbieter sogar eine Beitragsdynamik, also Erhöhung von Beitrag und Leistung, ohne Gesundheitsprüfung anbieten (z. B. 5 % alle drei Jahre, maximal jedoch die Inflation), muss man beispielsweise für die Gruppe der jungen, sonst nicht versicherbaren Menschen hier von einem echten Angebot für substanziellen Schutz sprechen.

 

Mit zunehmendem Eintrittsalter verliert dieser Effekt jedoch, weil das so genannte biometrische Risiko, also die mathematische Wahrscheinlichkeit eines Pflegefalls, mit höherem Alter laufend und überproportional ansteigt. Wer heute 30 ist, kann für 15 Euro Monatsbeitrag (abzüglich Zuschuss) noch mit etwa 900 Euro monatlichem Pflegegeld in Stufe III rechnen, um die 40 kippt dann das Verhältnis zwischen 15 Euro Mindestbeitrag und 600 Euro Mindestleistung. Die ermittelten Durchschnittswerte als Übersicht:

Eintrittsalter

monatlicher Beitrag
(minus 5 Euro staatliche Förderung)

monatliches Pflegetagegeld
(in Stufe III)

20

15 €

Ø ca. 1.400 €, bis zu 1.800 €

30

15 €

Ø ca. 900 €, bis zu 1.260 €

40

15 €

Ø ca. 600 €, bis zu 840 €

50

ab 18 €, Ø ca. 23 €

600 € (1 Anbieter 660 €)

60

ab 29 €, Ø ca. 37 €

600 € (1 Anbieter 660 €)

70

ab 50 €, Ø ca. 65 €

600 € (1 Anbieter 660 €)

(Ausgewertet wurden sieben Anbieter, die Analyse wird laufend ergänzt.)

 

„Pflege-Bahr” ist nicht „Pflege-Bahr”: Worauf zu achten ist

 

Schon die Zahlen oben machen deutlich, dass nicht alle Tarife gleich sind. Und wie so oft werden sich die später folgenden Angebote der Wettbewerber daran orientieren oder davon abzuheben versuchen. Drei Bereiche, in denen sich die Leistungen der verglichenen Produkte schon heute unterscheiden und die durchaus relevant sind, seien darum kurz benannt:

 

Wartezeitverzicht

Die Wartezeit darf laut gesetzlicher Vorgabe höchstens 5 Jahre betragen (ein Antrag auf Leistung kann also erst nach dieser Versicherungsdauer gestellt werden). Alle verglichenen Anbieter reizen diese Spanne voll aus, (noch) keiner bietet eine kürze Wartezeit. Offen gelassen hat der Gesetzgeber jedoch, was nach einem Unfall gelten soll, der zur Pflegebedürftigkeit führt. Sechs der sieben Tarife sehen in diesem Fall eine Leistung auch während der Wartezeit vor, einer allerdings nicht.

 

Leistungen in Pflegestufe I und II

Wie im Pflegebereich üblich, setzt auch der „Pflege-Bahr” seine Mindestanforderungen zunächst bei Pflegestufe III an (600 Euro monatlich), obwohl diese Stufe in den meisten Fällen nur wenige Wochen oder Monate vor dem Todeszeitpunkt liegt. Damit ist Pflegestufe III zwar ohne Zweifel die teuerste, jedoch erfahrungsgemäß auch die kürzeste Pflegephase. Wichtig ist daher auch immer ein Blick auf die Leistungen in den Stufen I oder II, die sich über Jahre erstrecken können – werden hier die Kosten nicht ausreichend gedeckt, können die finanziellen Belastungen insgesamt viel größer sein.

 

Der „Pflege-Bahr” setzt in diesem Bereich leider extrem knapp an: nur 20 % der mindestens 600 Euro sollen in Stufe I geleistet werden – verlangt werden also nur mindestens 120 Euro Leistung, in der Pflegestufe II sind es gerade einmal 30 % oder mindestens 180 Euro. Hier dürfte in der Praxis die größte Lücke für „Pflege-Bahr”-Versicherte entstehen.

Einzelne der verglichenen Anbieter gehen deshalb freiwillig über das gesetzlich geforderte Mindestmaß hinaus (trotz Verzichts auf Gesundheitsfragen) und stocken die Leistungen in Stufe I und II auf: drei Gesellschaften bieten in Stufe I 30 % statt 20 %, besonders aber in Stufe II 60–70 % statt der gesetzlichen 30 %. Wer also wiederum hier als junger Mensch einsteigt und sich mit z. B. einem Eintrittsalter von 30 Jahren etwa 900 Euro Leistung in Stufe III sichert, erhielte statt 270 Euro bei diesen Anbietern immerhin 540 bis 630 Euro monatlich in Stufe II.

Ein Versicherer geht einen anderen Weg: zunächst deckt er nur die gesetzlich verlangten Werte ab, bietet jedoch einen „Pflege-Bonus”, wenn 15 Jahre Vertragslaufzeit – ohne Leistungsfall – verstrichen sind: dann erhöht er Stufe I auf 30 % (statt 20 %), Stufe II auf 70 % (statt 30 %) und sogar die Stufe III auf 110 %. Ebenso setzt er mit dem Bonus als einziger der verglichenen Anbieter auch die Leistung für die so genannte Stufe 0 (z. B. Demenz) von 10 auf 20 % herauf. Das Modell ist aufgrund der 15 Jahre Vorlaufzeit bis zur „Bonus”-Aktivierung allerdings eher für jüngere Menschen attraktiv.

 

Dynamik ja oder nein?

Was kostet Pflege in 30 Jahren? In der Finanzmathematik gilt die Regel, dass man den Preisanstieg für Dienstleistungen – ganz besonders im medizinischen Bereich – kaum mit der üblichen Inflationsrate hochrechnen darf, die historisch um 2,5 bis 3 % liegt, sondern eher mit Werten von 4 bis 6 % rechnen muss. Nehmen wir die 5 % als Mittelwert, dann hätten für die gleiche pflegerische Leistung heutige 600 Euro in 20 Jahren noch eine Kaufkraft von etwa 215 Euro, in 30 Jahren von etwa 128 Euro. Damit wird deutlich, dass an einem Inflationsausgleich in Form einer Beitragsdynamik eigentlich kein Weg vorbei führt: Beitrag und versicherte Leistung werden dadurch alle paar Jahre ohne Gesundheitsprüfung erhöht, man sichert sich inflationsbereinigt eine halbwegs gleich bleibende Deckung für den Leistungsfall. Doch nicht alle Anbieter äußern sich in den Unterlagen, ob sie eine solche Dynamik in ihrem „Pflege-Bahr”-Tarif durchführen oder nicht; ein klares Ja fand sich nur bei drei der sieben Gesellschaften.

 

Zwischenfazit

 

Der Markt für „Pflege-Bahr”-Tarife ist jung, es darf noch mit einer Reihe neuer Tarife gerechnet werden. Vielleicht beweisen einzelne Versicherer dabei noch Mut zu echten Verbesserungen oder Innovationen, obwohl man diese Hoffnung im Zaum halten sollte. Vielleicht trägt auch der Gesetzgeber dem wachsenden Pflegevorsorgebedarf und den aktuell geringeren Anreizen für die älteren Jahrgänge über die Zeit durch Korrekturen oder Erweiterungen noch Rechnung. Natürlich werde ich das Thema weiter verfolgen und zu gegebener Zeit an dieser Stelle wieder aufgreifen. Einen ersten Eindruck, wohin die im Reise im Augenblick zu gehen scheint, kann diese kurze Auswertung aber wohl vermitteln.

 

Vor allem zeigt sie eines: Ganz besonders den jungen Menschen, für die sonst bisher keine ergänzende Pflegevorsorge möglich war, wurde hier in ernstzunehmender Weise eine Tür geöffnet. Menschen jenseits der 40 müssen leider für den Moment prüfen, ob für sie im Zweifel die Mindestleistungen zu den verlangten Beiträgen noch in einem Verhältnis stehen.

 

Weitere Informationen und persönliche Vorschläge erhalten Sie natürlich gerne auf Anfrage.